03.01.2023
Unsere Kennenlernreise durch den Trainerstab der Weißroten führt uns diesen Monat zu Fitness- und Athletiktrainer Andrea Arpili. Geboren ist der 43-jährige am 1. April 1979 in Rimini. Und auch noch heute ist er im Europaweit bekannten und renommierten Badeort, der mit seinem 15 Kilometer langen Sandstrand jährlich zahlreiche Touristen anlockt, wohnhaft.
Andrea Arpili ist professioneller Fitness- und Athletiktrainer und besitzt neben einem abgeschlossenen Studium der Sportwissenschaft sowie einer Uefa A-Trainerlizenz ebenfalls ein europäisches Diplom der Universität Lyon (Frankreich) im Bereich Fitnessökonomie. Darüber hinaus verfügt er über die Erfahrung, von mehr als zehn Spielzeiten im Profifußball. Dazu zählen zwei Jahre bei Rimini, drei mit San Marino Calcio, eines bei Santarcangelo, vier in Ascoli und zuletzt jeweils eine Spielzeit bei Feralpisalò, Genua, Perugia, Pescara und vergangene Saison in Parma, wo er Teil des Trainerstabs von Enzo Maresca war. Zusammen mit Andrea Giannini hat Arpili zudem ein Buch geschrieben. „L'Enneagramma nello Sport“ ist eine Art Ratgeber für all diejenigen, die im Sport oder ihrem eigenen Leben ambitionierte Ziele verfolgen und erreichen wollen.
Bei einem Blick auf deinen Lebenslauf wird schnell deutlich, dass der Sport ein zentrales Element deiner Karriere darstellt. Wie wichtig ist er für dich?
„Der Sport war bei mir immer eine unverzichtbare Grundlage, weil er aus meiner Sicht ein Spiegelbild des Lebens ist, wo es gilt Widrigkeiten zu überwinden und Hindernisse nicht als Problem, sondern als Chance anzusehen. Genau diese Aspekte, sowie das Zusammenleben in einer Gruppe von Individuen, die ein gemeinsames Ziel verfolgt und sich stetig versucht zu verbessern, machen für mich eine gewisse Grundhaltung im Leben aus, die ich mit Leidenschaft verinnerlicht habe. Ich bin schon immer sportbegeistert gewesen und hatte zudem das Privileg, eine Ausbildung in diesem Bereich zu absolvieren, um mir so auch die nötigen Fachkenntnisse anzueignen.“
Du bist bereits viele Jahre im Profifußball tätig. Welche Erfahrungen haben dich bisher am meisten geprägt?
„Dies ist mein fünfzehntes Jahr im Profifußball. Ich war die ersten beiden Jahre in Rimini, dann in San Marino, wo wir im zweiten Jahr die C2-Meisterschaft gewannen. Danach ging es nach Sant'Arcangelo und weiter zu Ascoli, wo ich insgesamt vier Jahre lang blieb. Darauf folgten Genua, Perugia, Pescara, Parma und jetzt der FC Südtirol. Man kann sicherlich sagen, dass ich in jedem Jahr und bei jedem Verein wichtige Erfahrungen sammeln konnte. Gerade wenn die Dinge komplexer und schwieriger wurden, habe ich unheimlich daraus gelernt. Ganz entscheidend war für mich zu sehen, dass man sich selbst bei zuvor größter Anstrengung immer noch weiter verbessern kann und dass man sowohl von den Menschen, die einen auf dem Weg geprägt haben, als auch aus den Fehlern, die man selbst begangen hat, die größten Lehren zieht. Das ist ein nie endender Prozess. Mein Mantra ist es, sich jeden Tag ein Stück weiter zu verbessern, denn je weiter man kommt, desto mehr wird einem bewusst, wie viel größer das noch auszuschöpfende Potenzial ist.“
Gibt es eine bestimmte Etappe, an die du dich besonders gerne zurückerinnerst?
„Jede Spielzeit hat mich als Person wie auch beruflich bereichert. Und das verdanke ich gleichermaßen den schwierigen Situationen, die man in einer Laufbahn durchlebt, als ebenfalls den Menschen, die einen beim eigenen Werdegang begleiten. Eine Saison, an die ich mich besonders gerne zurückerinnere, war die in Sant'Arcangelo. Wir waren ein absolut bescheidenes Team, bekamen nichts geschenkt und arbeiteten unter recht dürftigen Bedingungen. Aber vielleicht genau deswegen wuchs diese Gruppe an wirklich ganz besonderen Jungs Tag für Tag über sich hinaus Am Ende konnten wir einen unglaublichen Aufstieg von der C2 in die dritte Liga feiern. Heuer erkenne ich hier beim FCS zum ersten Mal in meiner Karriere dieselben Erfolgskomponenten wieder, sowohl auf menschlicher Ebene als auch im Hinblick auf den unbändigen Willen, ein großes Saisonziel zu erreichen. Ich kann in jedem Fall aus voller Überzeugung sagen, dass es beim FC Südtirol menschlich passt. Und genau das hat, meiner Meinung nach, oberste Priorität, denn die menschlichen Werte beeinflussen ganz entscheidend die beruflichen oder sportlichen. Auf dem Platz sehe ich eine Mannschaft mit großem Kampfgeist und einem starken Gemeinschaftssinn, die bereit ist, alles für diesen fantastischen Verein zu geben.“
Was macht für dich diesen „menschlichen“ Aspekt konkret aus?
„Der Sportdirektor hat mir beispielweise etwas sehr Wichtiges vermittelt, das mir im Gedächtnis geblieben ist: 'Damit das gesamte Gefüge funktioniert, muss jeder Einzelne bereit sein, einen Teil von sich, von seinem eigenen Ego, in den Dienst der allem übergeordneten Gemeinsaft zu stellen, zum Wohle von Mannschaft und Verein.' Dieser Gemeinschaftssinn ist ein unverzichtbarer Wert und eine Haupteigenschaft, die jeder, der für diesen Club tätig ist, besitzen sollte. Diese Grundhaltung ist unverhandelbar. Sie ist ein ganz besonderer Wert, die diesen Verein auszeichnet. Der unermüdliche Einsatz jedes einzeln, von den Betreuern über das Küchenpersonal bis hin zu den Mitarbeitern in den verschiedensten Abteilungen und Funktionen. Wenn sich ein Verein entwickelt und wächst, geschieht das nicht nur durch die Akteure auf dem Spielfeld, sondern auch dank der funktionierenden Synergien aller Beteiligten, die mit Demut, Hingabe, großer Opferbereitschaft, einem starken Gemeinschaftssinn und Zusammenhalt unter vollem Einsatz alles für das gemeinsame Ziel geben.“
In deinem Buch geht es unter anderem darum, wie man gewisse Tugenden entwickelt und aus üblichen Fehlern lernt. Es ist eine Art Ratgeber für all diejenigen, die im Sport oder ihrem eigenen Leben ambitionierte Ziele verfolgen und erreichen wollen. In der Einleitung heißt es beispielsweise: „Die Gewissheit, die alle Leser dieses Buches gewinnen werden, ist die, dass jeder von uns seinen eigenen, persönlichen Sieg erringen kann, sofern er sein enormes Potenzial freisetzt“. Was ist genau damit gemeint?
„Das Buch 'Das Enneagramm im Sport' habe ich zusammen mit Andrea Giannini geschrieben, um meiner großen Leidenschaft besonderen Ausdruck zu verleihen: der Freisetzung des individuellen Potenzials. Das Enneagramm ist die Lehre der menschlichen Persönlichkeit und hat mein eigenes Leben verändert. Dank des Enneagramms der unterschiedlichen Charaktertypen, das in eine Art „biologischen“ Schlüssel umgewandelt wurde, wissen wir, warum jeder Mensch einzigartig ist und unser Körper in der Lage, verschiedene Begabungen und Potenziale zu entwickeln. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse können wir die Fähigkeiten unseres Körpers weiter optimieren, um so die vorhandenen Ressourcen gezielter auszuschöpfen, und haben gleichzeitig die Möglichkeit, unser eigenes Verhalten deutlich besser zu verstehen. Ich habe immer versucht, die sportbezogenen Lehrgänge parallel zu den Studieninhalten der Persönlichkeitsentwicklung voranzutreiben, da es mir äußerst wichtig erscheint, sich permanent weiterzubilden. Dabei hatte ich sowohl den Menschen als auch den Sportler im Blick und wollte herausfinden, welches der gemeinsame Nenner ist, durch den ein Individuum bereit ist, sein Bestes zu geben. Nach vielen Fort- und Weiterbildungen wurde mir klar, dass jede der neun Grundtypen des Enneagramms für sich einzigartig und besonders ist, weil sie ganz eigene Merkmale besitzt. Alle Menschen haben einen wunden Punkt, subjektive Schwächen, genauso wie individuelle Stärken. Es gibt keinen besseren oder schlechteren Charakter. Jeder Charaktertyp sollte seine eigene Persönlichkeit ausleben, indem er versucht, sich selbst besser kennenzulernen, seine Talente weiter zu entwickeln und sich den Schwächen in einem Entwicklungsprozess zu stellen.“
Es ist also wichtig, nicht nur körperlich, sondern vor allem auch mental mit den Spielern zu arbeiten…
„Ja, auf jeden Fall!“
Kommen wir wieder auf das hier und jetzt beim FC Südtirol zu sprechen. Wie wichtig ist es, bei einem Verein zu arbeiten, der bereits wichtige Strukturen geschaffen hat, um erfolgreich zu sein?
„Das ist sehr wichtig. Aus meiner Sicht vereint der FCS alle Faktoren, die für einen Erfolg grundlegend sind. Es ist sicherlich kein Zufall, dass Verein und Mannschaft Jahr für Jahr eine kontinuierliche Entwicklung genommen haben, denn hier findet man ideale Voraussetzungen, um bestmöglich seinen Job auszuüben: Ein hochmodernes Trainingszentrum mit Fitnessbereich und weiteren Räumlichkeiten, die Mitarbeiter, die alle höchst professionell ihrer Arbeit nachgehen. Und trotzdem hat der Club seine familiäre Atmosphäre behalten. Etwas, was man schätzt und einen auch verbindet. All diese Komponenten konnte ich bei meinen bisherigen Stationen noch nie gleichzeitig vorfinden. Obwohl ich das Glück hatte, ebenso bei einigen größeren Vereinen zu arbeiten, gab es nie dieses perfekte Zusammenspiel aus Familiärem und Ambitioniertem, aus einfachen Kommunikationswegen und smarten Entscheidungen, wie es hier beim FC Südtirol der Fall ist. Hier sehe ich einerseits die Innovation, Entwicklung und das Schaffen modernster Strukturen und gleichzeitig aber genauso eine wichtige menschliche Komponente, eine enge soziale Interaktion, die niemals verloren gehen darf. Wir alle sind Menschen, bei denen der emotionale Bereich eine bedeutende Rolle spielt. Es reicht nicht nur aus, gewachsene Strukturen zu besitzen, wenn diese ohne Seele sind. Und dafür können nur die im Verein handelnden Personen sorgen.“
Hast du eine spezielle Art, die Jungs vor dem Spiel heiß zu machen?
„Im Grunde bin ich selbst immer Fan der Mannschaft, die ich trainiere. Das habe ich ganz tief in mir verinnerlicht. Ich muss mich bei dieser Gelegenheit auch bei allen bedanken, weil ich mich vom ersten Tag an als Teil der FCS-Familie fühlen durfte und mir sofort Wertschätzung und Vertrauen entgegengebracht wurde. Das war für mich sehr wichtig. Wenn man das Glück hat, in und mit einem solchen Team als Trainer zu arbeiten, ist es letztlich sehr einfach, mit ganzem Herzen dabei zu sein. Wir haben gemeinsam einen starken Zusammenhalt entwickelt. Wenn ich vom FC Südtirol spreche, meine ich immer den ganzen Verein. Jeder einzelne leistet einen Beitrag dazu, dass die erste Mannschaft mit so vielen Punkten in der Tabelle dasteht. Niemand kann im Fußball alleine punkten. Persönlich versuche ich in meinem kleinen Rahmen, täglich mein Bestes zu geben. Nichtsdestotrotz ist mir aber ebenso bewusst, dass ich noch viel lernen und mich weiterentwickeln muss.“
Wie viel Freude bereitet dir diese Zweitligameisterschaft?
„Die ist macht einfach Spaß! Das ist die achte Saison in der Serie B, an der ich teilnehme. Die zweite Liga war schon immer hart umkämpft. Jeder kann jeden schlagen. Bis in die Nachspielzeit sind die meisten Partien offen. Im Vergleich zu den vorherigen Spielzeiten, die ich miterleben durfte, erscheint mir diese Serie B als die schwierigste aller Zeiten. Es gibt so viele renommierte und ambitionierte Vereine, wie selten. Hinzu kommt, dass in diesem Jahr die Serie A aufgrund der WM eine längere Winterpause einlegt, wodurch diese großartige Zweitligameisterschaft noch mehr im Fokus steht.“
Welche Eigenschaften zeichnet dieses Team deiner Meinung nach besonders aus?
„Ich denke, dass wir eine Gruppe mit einem unbändigen Kampfeswillen haben. Das sind alles Jungs, die bereit sind, sich zu opfern, die über die Schmerzgrenze hinaus gehen und den Anweisungen des Trainers hundertprozentig folgen. Für mich sind das auch grundlegende Werte, die ein Team besitzen muss, um erfolgreich zu sein. Es ist klar, dass wir genauso spielerische Qualitäten benötigen. Diese hat die Mannschaft aber schon mehrmals unter Beweis gestellt. Unsere Stärke ist der Zusammenhalt. Ein Beispiel aus der Fußballelite, dass ich gerne heranziehe, ist da Atletico Madrid. Dabei kommt es mir nicht so sehr auf die Art und Weise an, wie sie spielen, sondern auf ihre unglaubliche Leidenschaft. Der Wille, als Kollektiv spielerisch und wirtschaftlich überlegene Kontrahenten niederzukämpfen. Gegner, die unschlagbar scheinen, denen sie jedoch dank ihrer immensen Motivation und durch ihrem Teamspirit auf Augenhöhe begegnen. Genau das sind die Zutaten, die es braucht, um über sich hinauszuwachsen. Bei unserer Mannschaft finde ich viele dieser Eigenschaften wieder. Sie sind für mich essentiell. Ich bin dankbar, dass ich Teil dieser tollen Gruppe und dieses tollen Vereins sein kann und identifiziere mich zu 100% mit den Werten des FC Südtirol.“