16.01.2020
Vinetot im Interview
„The Wall“, so wurde Kévin Vinetot bereits kurze Zeit nach seiner Ankunft beim FC Südtirol getauft. Geboren in Villiers-le-Bel, einem Vorort von Paris, spielt der 30-jährige Innenverteidiger mittlerweile seine dritte Saison in Bozen. Dank seines robusten Körperbaus und seiner taktischen Intelligenz zählt Vinetot nach wie vor zu den stärksten Abwehrspielern der Liga. Mit 300 Profieinsätzen, 73 mit Crotone in der Serie B, bringt unsere Nummer 5 viel Erfahrung mit ins Team. Wie es dazu kam und wie der Weg von Frankreich nach Italien verlaufen ist, erfahren Sie in unserem exklusiven Gespräch.
Kévin, erzähle uns etwas über deinen Weg zum Profifußballer?
„Ich bin in der Fußballschule von Guingamp großgeworden. Obwohl es sich um den Verein einer kleinen Stadt handelt, spielt er konstant zwischen der ersten und zweiten französischen Liga. Die Kleinstadt befindet sich in der Bretagne und liegt ungefähr fünf Autostunden von Paris entfernt.“
Guingamp ist der Verein, bei dem u.a. Didier Drogba, Florent Malouda, Fabrice Abriel und Vincent Candela ihren Durchbruch schafften…
„Stimmt genau! Mit zwölf Jahren verließ ich meine Heimat um in Guingamp so richtig das Fußballspielen zu erlernen. Es war eine große Umstellung für mich, denn aufgewachsen bin ich in einem Vorort von Paris. Im Alter von 20 Jahren zog es mich dann erstmals ins Nachbarland Italien.“
Wie kam es zu dazu?
„Eigentlich durch Zufall. Als ich den Profivertrag bei Guingamp ablehnte, schaute ich mich nach einem neuen Verein um. Von Bekannten erfuhr ich, dass Pino Greco (in den 70ern Profifußballer beim FC Turin, Ascoli und Bologna, Anm.d.Red.) in Turin Probetrainings für junge Fußballer organisierte. Ich fuhr hin und bestritt im Rahmen des Programms einige Testspiele. Wenige Monate später wurde Greco Giulianova‘s Sportdirektor auf mich aufmerksam und wollte mich in seinem Team. Ohne zu wissen, dass ich vor der Unterzeichnung des Profivertrags erst den Trainer überzeugen musste, brach ich nach Italien auf. Ich bestand zum Glück auf Anhieb alle Tests und begann so meine Karriere bei Giulianova. In den Abruzzen bestritt ich zwei Saisonen als Stammspieler, eine in der Serie C2 und die darauffolgende in der C1. Nach diesem erfolgreichen Biennium wechselte ich zu Crotone.“
Am 8. Januar 2011 das Serie B-Debüt mit Crotone, zwei Monate später gegen Empoli dein erster Treffer. Nach 17 Einsätzen und zwei Toren kam es am Ende der Saison zu einem weiteren Transfer. Nur auf dem Papier aber…
„Genoa erwarb im Sommer meine Spielerrechte, ließ mich aber auf Leihbasis für zwei weitere Jahre in Kalabrien. Daraufhin folgten zwei Saisonen – immer als Leihspieler – bei Lecce in der Serie C. Vor meiner Ankunft in Südtirol spielte ich noch für Albinoleffe, ein weiteres Mal für Lecce und Mantova.“
Was kannst du uns über deine Zeit in Südtirol erzählen?
„In meiner ersten Saison in Bozen beendeten wir die Meisterschaft auf dem 2. Tabellenplatz und kämpften uns bis ins Playoff-Halbfinale vor. Wir hatten damals die zweitstärkste Abwehr der Liga. In der letzten Saison kam ich 33 Mal zum Einsatz und erzielte meinen ersten Treffer im FCS-Dress. Hier bin ich Menschen begegnet, die mir wirklich ans Herz gewachsen sind. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um Sportdirektor Paolo Bravo und dem Team Manager Emiliano Bertoluzza einen besonderen Dank auszusprechen.“
Dein Vertrag beim FC Südtirol läuft bis 2021…
„Es erfüllt mich mit Freude und Stolz, für den FCS zu spielen. Seit dem ersten Tag fühle ich mich wohl, auch weil der Verein mir immer großes Vertrauen schenkt. Es ist ein Privileg, an einem Ort zu sein, wo man die perfekten Konditionen für eine erfolgreiche Arbeit vorfindet.“
Deine Meinung zur diesjährigen Meisterschaft?
„Das Niveau ist wirklich sehr hoch, mit vielen hochklassigen Teams und Spielern. An jedem Sonntag steht man vor einer neuen Herausforderung. Aus professioneller Sicht ist das ein großer Ansporn. Jedes Spiel hat seine eigene Geschichte und muss hart erkämpft werden.“
Worin siehst du deine Stärken?
„Ich setze viel auf meine Körperstärke. Für einen Verteidiger ist das eine ausschlaggebende Eigenschaft. Ich versuche Spielsituationen im Voraus zu lesen. Dies ist eine Fähigkeit, die man im Laufe der Jahre perfektionieren muss und mit der Erfahrung zunimmt. Mittlerweile versuche ich auch meine Kräfte besser zu dosieren, d.h. mehr mit dem Kopf und weniger mit den Beinen zu arbeiten. Ich bin jedoch überzeugt, dass man sowohl auf technischer als auch auf emotionaler Ebene immer dazulernen kann.“
Und deine Schwächen?
„Ich bin manchmal etwas faul. Laufen ist nicht so mein Ding, auch außerhalb des Feldes. Hier kann bzw. muss ich mich wirklich ein wenig bessern. (lacht)“
Welcher deiner Trainer hat dir am meisten mitgegeben?
„Ich versuche immer, von einem Trainer so viel wie möglich zu lernen. Das ist mir auch bei beinahe allen gelungen. Ich habe tolle Erinnerungen an Menichini und Corini bei Crotone. Unter letzterem machte ich mein Debüt in der Serie B. Auch Bitetto, der mir bei Giulianova sein Vertrauen schenkte, Lerda (Lecce) und Zanetti bin ich sehr dankbar. Ich komme auch mit Coach Vecchi sehr gut zurecht. Mir gefällt seine Arbeitsmethode und wie er die Spiele vorbereitet.“
Was treibst du so in deiner Freizeit?
„Ich gehe gerne mit Freunden aus, insbesondere in Restaurants. Den Rest meiner Freizeit verbringe ich vorwiegend zuhause. Ich bin ein großer Fan von TV-Serien und Filmen.“
Welche ist deine Lieblingsmannschaft und wer war bzw. ist dein großes Idol?
„Mein Kindheitsidol war Lilian Thuram, mit dem ich dieselben Wurzeln teile. Was die Mannschaft anbelangt, ist Paris Saint Germain meine große Liebe. Seit immer schon. Jedes Jahr hoffe ich, etwas mehr als nur der Meistertitel bejubeln zu können.“
Der furchteinflößendste Gegenspieler?
„Ich habe das Glück, gegen viele hochkarätige Angreifer gespielt zu haben. Um keinen zu vergessen, nenne ich lieber keine Namen.“
Was siehst du in deiner fußballerischen Zukunft?
„Das ist eine gute Frage. Ich weiß nicht, was mir die Zukunft bringt. Ich bevorzuge es mich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Was zählt ist, dass die Mannschaft und ich selbst bei jedem Training und bei jedem Spiel alles geben.“